DIE ARCHIE DER GEISTFICKEREin Versuch, das Grauen verbal nachzuzeichnen und zu vermitteln. Eine Mixtur aus pervertierter Fortpflanzung = hypostasiertem Massensex = Pornographie und pervertiertem Tod = Massenmord = Holocaust. Dazu die verdorrte hochverehrte Geschichte der Philosophie in ihren griechischen Anfangstagen, ein billiger Liebesroman (die Philosophie als Liebe), ein paar schlechte Witze von Schiffchen, die nicht schiffen – und fertig ist die Mixtur. Platon, Aristoteles, die Sophisten, die Vorsokratiker – alle im Abfalleimer des Holocaust. Und mit ihnen der Wahn vom vernünftigen Menschchen.

KOPFCREME: DIE ARCHIE DER GEISTFICKER
1986 · ISBN 978-3-924428-16-7

Kopfcreme Philosophie im Kohler Verlag Karlsruhe

ZwischenspielEine irreale Situation, in der ein Lebensweg auf der Kippe steht: ein Pärchen verpackt auf einem Feldweg in Holland 10 kg Haschisch in Plastikfolie. Sie besprühen es mit Antihundespray und verstauen es unter der Rücksitzbank ihres Fahrzeuges. Plötzlich steht fast unbemerkt ein Polizeifahrzeug hinter ihnen. Er schafft es im letzten Augenblick, die Rücksitzbank notdürftig hinzudrücken. Er denkt, daß die Polizei es gesehen hätte und daß jetzt alles vorbei sei. Die Polizisten fragen: »Was machen Sie hier?« Die Frau sagt leicht verschämt: »Ich habe Periode und brauche einen stillen Platz, um meinen Tampon zu wechseln. Sie verstehen, ja?« Die Polizisten sagen: »Sie befinden sich hier in militärischem Sperrgebiet. Bitte zeigen Sie uns Ihre Pässe.« Was wäre geschehen, wenn?

EinschubEine irreale Geschichte, wie sie das Leben schreibt. Ein Pärchen reist nach Sri Lanka. Es gefällt ihnen dort sehr gut. Als ihr Visa zu Ende ist, beschließen sie, illegal dort zu bleiben. Sie kaufen sich mit einer Fischerfamilie zusammen ein großes Ringnetz, 2 Boote, 3 Hütten und etwas Land. Dazu heuern sie dreißig Arbeiter an, die das Netz jeden Tag zweimal herausziehen. Nach drei Monaten ohne einen guten Fang ersäufen sie die aufkommenden Depressionen in Toddy. Dann, an dem Tag, an dem der große Fang im Netz ist, der das Jahr finanzieren soll, reißt das Netz. Und das Fischereiunternehmen ist bankrott. Das Pärchen überlegt, wie es aus dem Land kommt. Es hat Angst vor einer Strafe. Doch bei der Ausreise fragt der Zöllner nur: »Warum sind sie solange ohne Visa im Land geblieben?« Das Pärchen: »Es hat uns so gut gefallen.« Der Zöllner: »Das freut mich. Auf Wiedersehen.«

Abschließend kann man dazu nur sagen, daß manche Leute im Alter faul und träge werden.

Ich habe es versucht, in Berlin, Freiburg und Heidelberg.

Haben Sie einen Abschluß gemacht?
Nein. Denn das, was ich an diesen Universitäten als Philosophie vorgesetzt bekam, hatte meiner Meinung nach sehr wenig mit Philosophie zu tun. Es wurde nur auf langweilige und schlechte Art Philosophiegeschichte vermittelt. Dazu kam, daß ich selten so viele blöde und verklemmte Leute auf einem Haufen angetroffen hatte wie dort. Und die paar Ausnahmen, die ich dort kennenlernte, haben heute alle nichts mehr mit Philosophie zu tun. Ich hatte das Gefühl, daß es dort nicht um die Anleitung zu selbständigem Denken, sondern um das genaue Gegenteil, seine Unterdrückung und Abtreibung geht.

Ist dies nicht ein etwas hartes Urteil?
Es ist sicher etwas zu hart und polemisch formuliert. Aber in der Sache bleibe ich bei dem Urteil. Der universitäre Philosophieunterricht müßte wie im Bereich der Kunst üblich in freie Philosophie und, als völlig abgetrennten Studiengang, Philosophiegeschichte und Philosophie für das Lehramt unterteilt werden und als solches gekennzeichnet werden. Es gibt derzeit keine Ausbildung zum freien Philosophen analog der zum freien Künstler. Für die Philosophie müßte ein ähnlicher unabhängiger institutioneller Rahmen geschaffen werden wie die Kunstakademien.

Wann haben Sie Ihr Philosophiestudium abgebrochen?
1983 in Freiburg mit einer Philosophieperformance anläßlich meiner Zwischenprüfung.

Seit wann gibt es in der Philosophie eine Performance?
Es gibt sie dann, wenn sie einer macht und als solche deklariert und andere dies akzeptieren. Aber das ist eine unbefriedigende Antwort. Ich wollte damals mit der Zwischenprüfung einen endgültigen Schlußstrich unter meine akademische Laufbahn setzen und entschloß mich zu einer Performance. Dabei habe ich eine um 15 Jahre verspätete Anleihe bei der Bildenden Kunst genommen und den Begriff der Performance in die Philosophie eingeführt.

Wie sah diese Performance aus?
Das Thema war im übertragenen Sinn die Geburt, die Abtreibung und die Wiedergeburt der Philosophie. Die Performance fand während der Zwischenprüfung auf und unter dem Tisch und im Fensterrahmen des Prüfungsraumes statt. Die ganze Zeit über hatte ich eine Plastiktüte mit dem Aufdruck SS auf dem Kopf – im Gedenken an den in Freiburg hochgeschätzten Heidegger. Wie vorgesehen, wurde ich nach einiger Zeit nachdrücklich aufgefordert, den Raum zu verlassen. Wahrscheinlich wurden einige der Mitprüflinge sexuell zu erregt und von ihrer Prüfung abgelenkt, denn ich hatte mich als Teil der Performance bis auf die Unterhose und die Plastiktüte entblößt. Dies wurde alles fotographisch dokumentiert. Zufällig stand an diesem Tag ein Baugerüst vor dem Zwischenprüfungsraum, so daß meine 2 Fotographen durch das geöffnete Fenster alles fotographieren konnten. Ferner wurde das gesamte verbale Material dieses Tages, das mir in Form von Zeitung, Radio, Fernsehen, Werbeaufschriften, Schildern und Gesprächen zugänglich war, aufgezeichnet und in der Dokumentation verwendet. Die Dokumentation ist betitelt mit »Die Geburt der Philosophie« und bildet den Abschluß meiner universitären Versuche. Danach war ich aus versicherungstechnischen Gründen in Heidelberg immatrikuliert, habe aber nie dort studiert. Da mein Entschluß, als Philosoph zu arbeiten, ohnehin feststand, habe ich mich 1983 selbständig gemacht und angefangen, meine Bücher herauszubringen.

Weshalb nennen Sie Ihre Performance Realphilosophieperformance?
Sie heißt deshalb Real- oder Leerphilosophieperformance oder auch Lehrphilosophieperformance, weil sie im Alltag spielt und von diesem nur dadurch zu unterscheiden ist, daß dem Handeln des Vorführenden ein Performancekonzept zugrunde liegt und die Performance anschliessend dokumentiert wird. Der Alltag wird als Performance zelebriert. So eine Performance kann mehrere Jahre dauern. Man kann in solch einer Performance über Jahre hinweg sich sich selber und anderen vorführen. Ein erhebendes Gefühl.

Wieviele solcher Realphilosophiedarstellungen haben Sie bisher gemacht?
Insgesamt 4 Stück: »Die Geburt der Philosophie«, das »Museum für postcontemporäres Denken Denken«, »Unternehmensphilosophie« und »Schöner Wohnen«.

Erzählen Sie bitte etwas über die letzten beiden.
Die Realphilosophieperformance »Unternehmensphilosophie« bestand in der Gründung von 8 Unternehmen, die über 5 Jahre hinweg mit allen Formalitäten und Steuererklärungen bei einem Umsatz von 0.- DM betrieben wurden. Die gegründeten Unternehmen waren ein Edelstein- und Diamantenhandel, ein Verlag, ein Weineinzelhandel, ein Weinversandhandel, ein Krawattenhandel, ein Automobilhandel, eine Baustoffabrikation, ein Versandkaufhaus. Ein projektiertes Unternehmen zur Produktion von Waffen auf biologischer Basis, wie z.B. Holzkeulen, Pfeil und Bogen, Gummiknüppeln usw. wurde leider von Amts wegen abgelehnt. Ich wurde in die Gewerbebehörde vor eine Kommission von 4 Personen geladen, die sich augenscheinlich von meinem Geisteszustand überzeugen wollten. Als es nichts zu beanstanden gab – ich hatte mich sehr seriös angezogen – wurde mir mitgeteilt, daß ich, um eine solche Waffenproduktion aufnehmen zu können, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Bundeskriminalamtes vorzuweisen hätte.
Das nächste Projekt war die Performance »Schöner Wohnen«, die 6 Jahre von 1987 bis 1993 dauerte. In einer alten Fabrikhalle der ehemaligen IWKA-Waffenfabrik wurde der alte Traum von einem eigenen Haus, einem Vorgarten mit Gartenzaun und einem besternten Auto zur scheinbaren Wirklichkeit. Ich habe dort 6 Jahre wie auf einer einsamen Insel unter 3. Welt-Verhältnissen gelebt.

Aus diesen ganzen Aktionen scheint mir mehr als ein starker Hauch von Nihilismus durchzudringen. Sind Sie Nihilist?
Nein, auf keinen Fall, ich mache ja ständig etwas.

Nichts?
Nein, eher vielleicht ab und zu etwas Scheiße, im wörtlichen und übertragenen Sinn.

Kann man das, was Sie in diesen Büchern machen, noch als Philosophie bezeichnen oder gehört das nicht viel eher in den Bereich der Konzeptkunst?
Meine Arbeit hat den philosophischen Kontext als Hintergrund. In der Kunst sind viele Sachen selbstverständlich, die in der Philosophie noch ausgemistet werden müssen.

Ich möchte es noch etwas schärfer formulieren. Ist das, was Sie machen, überhaupt noch Philosophie?
Ich bin Philosoph und mache Philosophie. Ich baue auf dieser ganzen philosophischen Tradition auf, auch wenn ich viel zerstöre. Zuerst muß etwas da sein, bevor dekonstruiert oder destruiert werden kann. Ich kann vielleicht den einen Satz polemischer fassen: Ich bin Philosoph und mache die Philosophie kaputt. Aber dies ist immer noch Philosophie. Die Philosophie – ich rede in einer so unscharfen Form von ihr, in der es sie gar nicht gibt und doch wieder gibt – muß sich meiner Meinung nach in den nächsten Jahren etwas einfallen lassen, eine grundlegende Standortbestimmung betreiben. Mit dem Erfolg der Naturwissenschaften hat sie sich selbst überflüssig gemacht. Und es wirkt auf mich lächerlich, wenn sie in blinder Wissenschaftsimitation immer wieder eine kleine Nische sucht, die noch nicht spezialwissenschaftlich besetzt ist, und in der sie sich dann legitimiert glaubt, wissenschaftlich seriös zu arbeiten. Als Beispiel dafür sehe ich die Moden der Wissenschaftstheorie, der philosophischen Erkenntnistheorien, der philosophischen Logiken und der Sprachphilosophie an. Die Philosophie sollte begreifen, daß sie wissenschaftlich im Zeitalter der beginnenden künstlichen Intelligenz nichts mehr zu sagen hat und daß dieses krampfhafte Festhalten am Ideal der Wissenschaftlichkeit nicht das ganze Gebiet umfaßt, für das Philosophie steht. Philosophie steht für mehr: für das gesamte menschliche Lebensgefühl, für die Festlegung von menschlichen Interessen und menschlichen Zielen und für das kritische Infragestellen der aktuellen Kulturformen, also von bereits festgelegten Interessen und Zielen. Und wenn man dazu die Hose herunterlassen müßte, dann wäre dies immer noch Philosophie.

Haben Sie die Hose heruntergelassen?
Wenn ich 10.000 mal »Sorgenfrei Leben« in die Schreibmaschine tippe und ein Buch daraus mache, lasse ich die Hosen runter.

Wozu?
Diese beiden Wörter enthalten heute mehr Information als die gesamte Kritik der reinen Vernunft von Kant. Und wenn sie ein solches Buch kaufen, erhalten Sie 10.000 mal dieses Mehr an Information für den halben Preis. Allerdings 200 Jahre zu spät.

Sie werden zynisch. Ist deshalb Ihr Buch »Zu Teuer« auch zu teuer?
Exakt. Zur Vermeidung von verbalem Müll mit all seinen Entsorgungsproblemen enthält das Buch »Zu Teuer« nur die Information »zu teuer«. Es ist das perfekte Buch, das sich selbst als Information enthält und diese schnell und kurz vermittelt. Es bleibt vielleicht nur die Frage offen, ob für die 10.000 »Zu Teuer«, die das Buch enthält, der Preis wirklich zu teuer ist oder ob der Verkaufspreis nicht erhöht werden müßte.

Wovon hängt dies ab?
Dies könnte von der Reaktion der Käufer abhängen. Wenn einer dabei wäre, der das Buch zu billig fände, müßte ich ihm entweder das Geld zurückerstatten oder eine Nachzahlung fordern. Ich hoffe, daß das nicht der Fall sein wird.

Um auf Kant zurückzukommen. Sie haben die Kritik der reinen Vernunft neu bearbeitet?
Sie könnten eher sagen, ich hätte sie destruiert, zerstört. Ich habe dieses philosophiegeschichtlich so wichtige, heute aber völlig absurde Buch frei nach Antonin Artaud als Subjektil = Schreibgrund benutzt und versucht, das Subjektil zu zerstören. Nur nahm ich im Gegensatz zu Artaud anstelle von Zigaretten einen elektronischen Speicher und einen Drucker. In dem Buch wird das gesamte verbale Material von Kant´s Kritik der reinen Vernunft verwendet. Zu Beginn der Text der aktualisierten 2. Auflage, zum Ende hin der Originaltext der 1. Auflage von 1781. Das zweite Motto, unter dem das Buch steht, lautet frei nach Wittgenstein: von einem nichtoffenkundigen Blödsinn zu einem offenkundigen übergehen, wobei Wittgenstein selbst mit einer derartigen Auslegung wahrscheinlich überhaupt nicht einverstanden gewesen wäre. Die Kritik der reinen Vernunft wird in einem visuellen Orgasmus entkrampft, wobei die visuelle Gestaltung in Bezug zum verwendeten Textmaterial steht. So wird z.B. die Seite 825, 1. Ausgabe 1781, auf der Kant schreibt, daß es bei ihm nicht bloß Meinung, sondern ein starker Glaube sei (auf dessen Richtigkeit er schon viele Vorteile des Lebens wagen würde), daß es auch Bewohner anderer Welten gäbe, in der Weise kommentiert, daß die erste Botschaft, die von Menschen an die Außerirdischen gesendet wurde, durch eine Zusatzbotschaft von mir ergänzt wurde. In dieser ist zur Vervollständigung des Menschenbildes ein Atompilz zu sehen, zudem ein Bild von einem Menschchen, das einem anderen Menschchen auf den Kopf tritt und als positives Element in der linken oberen Ecke die Lottozahlen aus der Woche, in der die Ergänzungsbotschaft verfaßt wurde. Auf diese Weise kann die Botschaft von den Außerirdischen genau datiert werden. Vorausgesetzt, sie haben die Ziehungen der Lottozahlen mitverfolgt. Diese Unterstellung ist nicht naiver, als den Außerirdischen einen ähnlich konstruierten visuellen Sinn zu unterstellen, mit dem sie die entschlüsselten Figürchen betrachten können. Das Problem ist die mangelhafte Vorstellung dessen, was unter Außerirdischen alles zu verstehen sein könnte.

Ich muß mich wiederholen. Halten Sie dies wirklich für Philosophie?
Ja, auf jeden Fall. Wobei der Platz der Philosophie näher bei der orientierungslos dahintorkelnden Kunst als bei den simuliert zielgerichteten Naturwissenschaften angesiedelt wäre. Es muß aber nicht automatisch etwas positives bedeuten, wenn 2 Lahme sich verbinden.

Wie paßt das alles zu Ihrer Tätigkeit als Unternehmer?
Nun, ich brauche irgendwoher Geld zum Leben. Da klar war, daß ich von der Philosophie nicht leben könnte, ohne mich in philosophischer Hinsicht anzupassen und da ich dies unter keinen Umständen wollte, mußte ich etwas anderes suchen. Dazu kam, daß ich es als unangenehm empfinde, von anderen Leuten Anweisungen entgegenzunehmen. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbständig zu machen und etwas »zu unternehmen«. Zudem ist dies einer der wenigen Berufe, bei denen man nebenher philosophieren kann.

Trotzdem, es scheint nicht zu Ihrer Philosophie zu passen!
Da haben Sie recht. Ein Widerspruch. Man wird alt, faul, träge und legal. Wie kann man damit leben? Das Ideal der Einheit wird verletzt. Es gibt Brüche. Weltwechsel, Verkleidungen, Rollenwechsel, verschiedene Identitäten. Ich bin voll von Widersprüchen. Eine lebende Paradoxie. Und fühle mich manchmal gut dabei und manchmal auch nicht.

Es paßt trotzdem nicht.
Wahrscheinlich würde Ihrer Ansicht nach nichts zu meiner Philosophie passen, was mit Geld in Beziehung steht. Es wäre Ihrer Ansicht nach eine Hungerkünstlerphilosophie, der es um die totale Verweigerung und Negation geht. Gut, es geht darum, aber es geht nur um die Verweigerung und Negation der großen Begriffskonstruktionen und Sinnkonstruktionen, die die Köpfe programmieren. Allerdings würde eine völlige Destruktion die Grundlage jeder Gesellschaft zerstören. Zurück auf die Bäume zu den Affen. Es hat sich nicht gelohnt, herunterzusteigen. Zum Glück ist in mir noch ein kleines Teilchen, das mir widerspricht und Geld verdient. Und sieht, daß es im Grunde egal ist, ob man auf den Bäumen hockt oder mit 250 Sachen über die Autobahn rast oder vor der Glotze sitzt. Es ist immer das gleiche, alte, dreckige und zugleich schöne Spiel. Kein Fortschritt, nur Veränderung. Und kaufbaren Luxus mag ich so gerne wie Bananen.

Trotzdem! Dies erinnert mich in seiner Inkonsequenz an Seneca, der mit seiner stoischen Philosophie einer der reichsten Männer des römischen Imperiums wurde, bis er dann von seinem Schüler Nero beim Wort genommen wurde und beweisen mußte, daß es ihm egal war, ob er lebte oder starb. Er starb in der Badewanne mit aufgeschnittenen Adern. Was wäre, wenn Sie beim Wort genommen würden? Sie sagen etwas anderes, als Sie leben. Dies nennt man auch »lügen«.
Sie haben völlig recht. Ich scheine ein lebendes Paradox oder eine lebende philosophische Lüge auf zwei Beinen zu sein. Aus diesem Grund habe ich eine Fiktion gewählt. Kopfcreme ist nicht bloß ein Pseudonym, sondern eine nichtexistente, fiktive Konzeption, voll von Brüchen. Und Sie scheinen zu verlangen, daß diese Kopfcreme-Fiktion aus Identitätsgründen mich zwingen sollte, als Terrorist zu leben.

Warum sind Sie nicht Terrorist geworden?
In den 70er Jahren war ich sehr fasziniert davon. Aber die Arroganz der Terroristen und meine Art von Arroganz paßten nicht zusammen.

Worin bestand Ihre Art von Arroganz?
Sie bestand in lauter Widersprüchen, wie z.B. 10.000 mal »Guten Morgen« zu schreiben und glücklich zu leben. Das Leben selbst als das größte Kunstwerk zu betrachten, das, um das sich alles dreht. Und darin, die Dinge, die mich interessieren, selbst auszuprobieren. Kurz gesagt: meine Arroganz bestand einfach darin, zu leben. Und dies geht in meinem Fall nur als lebendes Paradox.

Wie ist es möglich, auf dieser Basis miteinander zu reden?
Endlich eine gute Frage! Jedes Gespräch könnte sinnlos sein. Jedes Ergebnis, jede Übereinkunft könnten eine mentale Onanie sein. Jede Sprache und Kultur könnten kollektive Wahnzustände sein. Und doch sind sie das einzige, was wir haben – das einzige, woran wir uns halten können. Dahinter liegt der grenzenlose Abgrund, den wir dadurch unter Kontrolle halten. Dies ist das philosophische Standardthema vom Abgrund der Aporie und den verschiedenen Begründungen, warum wir unseren Tanz, den wir aufführen müssen, gerade so oder so aufführen sollen. Deshalb ist jedes Gespräch auch sinnvoll. Vor dem Hintergrund der Dominanz des Abgrundes, zumindest solange wir nichts besseres haben.

Könnte es sein, daß dies alles blödes Geschwätz wäre?
Aber natürlich. Es könnte durchaus sein, und vielleicht nicht nur dies hier. Ich habe das Gefühl, daß es sogar Unmengen davon gibt. In meinem Buch »Ohne Titel« habe ich versucht, einiges davon zu sammeln. Alte, vergammelte Nachrichten, vergessene, bedeutungslose Gespräche, verbrauchte Philosophien, funktionslose Bedienungsanleitungen, abgestandene Werbungen. Ich wollte einen Teil davon konservieren.

Erwähnte Buchtitel:
KOPFCREME: DIE GEBURT DER PHILOSOPHIE · 1983 · ISBN 978-3-924428-10-5
KOPFCREME: UNTERNEHMENSPHILOSOPHIE · 1981 · ISBN 978-3-924428-24-2
KOPFCREME: SCHÖNER WOHNEN · 1987 · ISBN 978-3-924428-25-9
KOPFCREME: SORGENFREI LEBEN · 1984 · ISBN 978-3-924428-04-4
KOPFCREME: GUTEN MORGEN · 1982 · ISBN 978-3-924428-02-0
KOPFCREME: KANT KRITIK DER REINEN VERNUNFT · 1992 · ISBN 978-3-924428-35-8
KOPFCREME: OHNE TITEL ABC · 1983 · ISBN 978-3-924428-07-5
KOPFCREME: ZU TEUER · 1990 · ISBN 978-3-924428-29-7
Wozu?
Das weiß ich nicht.

Man sollte die Philosophie nicht immer so ernst nehmen. Mit dem Stein der Weisen habe ich ein philosophisches Problem gelöst. Wahrscheinlich das einzige, das ich jemals gelöst habe und mein einziger produktiver Beitrag zur Philosophie. Auch, wenn die Art der Lösung nur zu einem kurzen Lachen führt. Dies ist recht wenig, wenn ich es mit Heideggers »Sein und Zeit« vergleiche, einem Buch, bei dem ich mich fast totgelacht habe. Ich konnte kaum ein paar Sätze lesen, ohne einen Lachanfall zu bekommen. Machen Sie ein kleines Experiment: Trinken Sie etwas über Ihr normales Limit oder rauchen Sie etwas Haschisch und nehmen Sie dann Heideggers »Sein und Zeit« und lesen Sie einfach mittendrin ein paar Sätze, möglichst laut, und Sie werden sich die nicht vorhandene Seele aus dem Leib lachen. Dagegen nimmt sich mein »Stein der Weisen« bescheiden aus. Von der Ästhetik her und vor allem vom Zeitaufwand zum Erreichen der Information dürfte er dagegen Heideggers »Sein und Zeit« weit überlegen sein. Besonders empfehlenswert ist die Originalausgabe in 999er Feingold. Dies dürfte eines der wenigen Bücher sein, die neben ihrem ideellen Wert auch einen direkten materiellen Wert besitzen. Vielleicht verändert sich im Unterschied zur Volksausgabe der Ton des Lachens etwas.

KOPFCREME: DER STEIN DER WEISEN
Originalausgabe 999er Gelbgold· 1984 · ISBN 978-3-924428-15-0

KOPFCREME: DER STEIN DER WEISEN
Volksausgabe · 1984 · ISBN 978-3-924428-13-6

Ich habe einen Freund, der Philosoph und Werbetexter ist und oft wahnsinnige Texte für wahnsinnige Leute schreibt, so z.B. für Fluglinien: »Samstags in den Markthallen schlendern, auf den Eiffelturm steigen, in einem Cafe das Leben genießen. 3 Tage Paris mit der Enten-Fluglinie für nur soundsoviel Euro.«

Was haben Sie von den ganzen Geschichten in Ihrer Erinnerung? Was haben Sie von einem erfüllten Leben? Nichts als den Gegenwert von soundsoviel Euro. Und ein paar billige Klischees.

Manches Leben läßt sich in diesem Jargon vortrefflich beschreiben. Voll triefender Klischees.

»Sie sitzen 4 Wochen in Bangkok in der letzten Heroinabsteige, weil Sie sich im Land geirrt haben, Abends langweilen Sie sich neben den Fickbombertouristen und den kleinen nackten Mädchen in den immer gleichen Shows. Beim fünftenmal wird er Schwanz nicht mehr steif. Sie genießen das Leben. Für soundsoviel Euro.«
»Bei Beginn des Krieges in Afghanistan in den frühen 70er Jahren waren Sie in Kabul. In einem dreckigen Loch haben Sie sich im Winter schlechtes Heroin in die Adern gespritzt und wären beinahe daran gestorben. Sie genießen das Leben. Für soundsoviel Euro.«
»Sie kamen von Sao Paulo. Jetzt sind Sie in Rio de Janeiro. Sie landen in einem geschmacklosen Puff. Zuvor haben Sie in den Titicacasee gepinkelt. In Lima haben Sie Kokain in Kondome gepackt. Sie genießen das Leben. Sie gönnen sich etwas. Für soundsoviel Euro.«

Die Musterung eines Philosophen. Sie werden gemustert. Nichtsahnend wird Ihnen ein guter Gesundheitszustand attestiert. Sie empfinden diesen Vorgang als Anmaßung. Sie wollen weder zum Militär, noch sich 2 Jahre Ihrer Jugend durch einen Zivildienst stehlen lassen. Sie kaufen sich ein Gramm Heroin, stechen sich die Adern wund, ziehen dreckige Kleider an, beschmieren sich mit indischem Parfüm und gehen zur Nachmusterung. Sie hören vom Arzt die befremdliche Diagnose: »Die Bundeswehr ist nicht das richtige für Sie und Sie sind nicht der Richtige für die Bundeswehr. Sie sind leistungsfunktionsgestört.« Sie gehen lachend hinaus und kaufen sich einen Strauß gelber Rosen, Züchtername Christel von der Post. Sie wissen, daß die Diagnose gespeichert wird und Sie sich damit für immer bestimmte Berufsmöglichkeiten verbaut haben. Sie haben dies mit Absicht getan. Welcher Philosoph will sich auch heute noch vom Staat aushalten lassen oder zum Militär.

Sie leben einige Monate im Dschungel nahe einer Bucht auf einer tropischen Insel. Sie ziehen einen symbolischen Strich um Ihren Schlafplatz als Schutz vor den Schlangen. Ein paar Bäume von Ihnen entfernt lebt eine große Affensippe. Sie freunden sich nach einiger Zeit an. Sie finden, daß der Unterschied nicht so groß ist, wie man Ihnen beigebracht hat. Statt 99% vielleicht höchstens 1%. Ein Beispiel für kleine Gedanken hinter großen Philosophien: Baudrillard liebt den symbolischen Tausch, Sie lieben Affen und Ihren BMW. Sie fahren damit in das kleine Kaff, aus dem Heidegger stammt, nicht weit von Ihrer Heimatstadt. Die Leute dort reden wenig. Sie fragen sich, warum sich Heidegger nicht an die Affen hielt? Wahrscheinlich waren sie ihm nicht gut genug und er wollte zu etwas Höherem.

Sie gründen das »Museum für postcontemporäres Denken Denken« in der Marienstr. 23 in Karlsruhe. Sie etikettieren Ihre Wohnung und erheben Ihre Gebrauchsgegenstände zu musealen Objekten. Ihr Alltag ist bereits in der Gegenwart soviel wert, daß er museumswürdig ist. Sie bewundern sich selbst. An Ihrer Gabel hängt ein Schild: Gabel des Gründers des »Museums für postcontemporäres Denken Denken«. Dasselbe gilt für Ihre Toilette, Ihre Zahnbürste, Ihre Unterwäsche, Ihre gesamte Kleidung, Ihre Nahrungsmittel, kurz: für jeden Sie umgebenden Gegenstand. Nach 2 Jahren kommt Ihr Hauseigentümer zum erstenmal in Ihr »Museum für postcontemporäres Denken Denken«. Er bekommt den Schock seines Lebens. Sie hängen Ihm ein Schild um den Hals: Hauseigentümer und Vermieter des Gründers des »Museums für postcontemporäres Denken Denken«. Er kündigt Ihnen fristlos. Sie bleiben und zahlen ein Jahr lang keine Miete mehr.

Sie sind ein wohlhabender Philosoph und weiser Unternehmer geworden mit Fuhrpark und goldener Uhr. Sie sehen immer noch wenig Unterschied zwischen den Bananen essenden Affen auf den Bäumen und den mit offenen Augen hinter dem Lenkrad sitzenden Menschchen. Sie bevorzugen immer noch ein gewisses Maß an Luxus und rasen immer noch mit 250 über die Autobahn.

Sie haben 6 Jahre in einer von oben bis unten mit Buchstaben bemalten Fabrikhalle gelebt und philosophiert. Ihre ganze Philosophie kumuliert in einer Erkenntnis, die Sie objektiv mit einem Objekt ausdrücken:
»Nach 20 Jahren der Liebe zur Philosophie bleibt nichts als ein fader Witz über ein Autokennzeichen: KA-NT 800«.

Einige Jahre zuvor blieb Ihr philosophisches Denken an dem seltsamen Satz eines Sprichwortes und Schlagertextes hängen, mit dem Sie einen Teil Ihrer Hütte in der IWKA-Fabrikhalle bemalt hatten:
»Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei«.

Sie fragten sich, wieviele Enden wohl die
Philosophie hat und kamen zu keinem Ergebnis.

Kopfcreme Philosophie im Kohler Verlag Karlsruhe
METAPHYSIK DER PARADOXIE · 2006 · 172 Seiten · ISBN 978-3-924428-30-3



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